Rotkäppchen hat… keine Lust? Genau! In dieser modernen Version des Rotkäppchen-Märchens ist das Mädchen nicht lieb und brav, sondern genervt von ihrem Auftrag, der Oma zum Geburtstag (nicht zur Genesung wie im traditionellen Märchen) Geschenke zu bringen. Noch dazu ist Sonntag und Rotkäppchen hat sich so darauf gefreut, den Tag genau so zu verbringen, wie sie will – und nun muss sie ewig durch den Wald latschen, nur um sich stundenlang die öden Geschichten der Oma anzuhören. Kurz gesagt: Rotkäppchen hat keinen Bock und auch eigentlich kein Geschenk. Gut, dass in diesem Moment der Wolf ihren Weg kreuzt. Der hat eigentlich einen Bärenhunger und die Absicht, das „süße Kind“ zu verspeisen, aber er weiß auch, was sich gehört.
Und als er Rotkäppchen fragt, was sie denn ihrer Großmutter für ein Geschenk brächte, ist er entsetzt:
„Einen kantigen Ziegelstein, eine stinkende Socke und einen ollen Kaugummi? Das sind doch keine Geschenke für eine alte Dame!“
Der Wolf hatte nämlich selbst eine Großmutter, deren Lieblingsenkel er war, weil er ihr immer die schönsten Geschenke gemacht hat und er fühlt sich verpflichtet, für ein ordentliches Geschenk für die unbekannte Oma zu sorgen. Sofort beginnt der Wolf eifrig Blumen zu pflücken – das mit dem Auffressen hat er bereits total vergessen.
In seiner Höhle zieht der Wolf seine Schürze und Haube an und backt den leckersten Apfelkuchen der Welt, den gleichen, den er auch immer für seine eigene Großmutter gemacht hatte. Rotkäppchen ist nun völlig entnervt, weil „der Wolf immer recht hatte und kaum noch etwas von ihrem Sonntag übrig war.“
Der Wolf jedoch ist nun nicht mehr zu stoppen: Als nächstes muss noch eine gute Flasche Wein gekauft werden, natürlich in Verkleidung, um nicht erkannt zu werden.
Nur logisch, dass der Wolf tatsächlich auch mitkommt zur Großmutter, die sich sehr freut über den Überraschungsbesuch des „haarigen Herrn aus dem Wald“. Die Großmutter und der Wolf sind sofort auf einer Wellenlänge: Er entkorkt schon mal den Wein, sie holt ihren Stapel alte Fotoalben. Nur Rotkäppchen, die, zugegeben, auch nichts vom Wein abbekommen hat, hat jetzt endgültig genug und verduftet. Die beiden neuen besten Freunde bemerken gar nicht, dass sie geht.
Dass der Wolf die Großmutter umsorgen möchte, ist schon bei der sorgfältigen Geschenkeauswahl klar geworden, aber die beiden gehen noch einen Schritt weiter: Die Großmutter lädt den Wolf ein, bei ihr zu übernachten, woraufhin der Wolf sie ins Bett bringt und fürsorglich zudeckt.
Die beiden beschließen letztendlich zusammenzuziehen und füreinander da zu sein.
Rotkäppchen hingegen zieht in die Wolfshöhle und wurde eine gefürchtete Räuberin.
Rotkäppchen hat keine Lust
Sebastian Meschenmoser
Thienemann
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